Nach großartigen Demos im letzten Herbst mit hunderttausenden Menschen, inmitten hartnäckiger Alltagskämpfe, in einer Zeit wachsender Solidarität und einer trotz Kriminalisierung weiterhin existierenden zivilen Seenotrettung stecken wir allerorts in Abwehrkämpfen. Es gibt unzählige ermutigende Geschichten und doch kann und darf es so nicht weitergehen. Vorerst bleibt uns aber nicht viel mehr übrig, als weiterzumachen. Aber besser: mit noch mehr Menschen, ohne Illusionen, radikaler und klüger!
Dass sich trotz aller Bewegungen der letzten Monate an der grundsätzlichen politischen Situation in unserem Sinne nichts geändert und sogar vieles verschärft hat, ist uns ein Hinweis darauf, was noch bevorsteht. Europas autoritäre Regierungen haben recht deutlich zu verstehen gegeben, dass sie sich für die Rechte von Millionen Migrant*innen und für die Forderungen der sozialen Bewegungen einen feuchten Dreck interessieren und dass sie nicht zögern, ihre Politik durchzusetzen – und zwar gegen uns a
lle. Der autoritäre Ruck, der seit Jahren durch ganz Europa geht, ist politisch gewollt. Daher bleibt es vorerst bei dem drohenden Winter, den ein Herbst der Solidarität zurückdrängen, aber nicht erledigen kann. In ihren Angriffen erkennen wir, dass wir nicht einzelne Abwehrkämpfe führen, sondern uns gemeinsam verteidigen müssen.
Die autoritäre Politik hat längst ihre Position gefunden und profiliert sich durch Gewalt gegen Migrant*innen . Die rechte Härte des Ertrinken- und Verhungernlassens, der Entrechtung in den Camps, Lagern, Behörden wird hier aber nicht Halt machen. Ihr Rassismus ist soziale Gewalt: Es geht um weitere Abstumpfung gegenüber einer Brutalisierung der Gesellschaften, um Gewöhnung an Hunger, Ausbeutung, Elend und Gewalt. Dafür stehen das „Geordnete Rückkehr“-Gesetz, die neuen Abschiebeknäste und die Charter-Flüge der Schande, die Kriminalisierung von Solidarität und Seenotrettung und die Push-Backs an den Außengrenzen.
Andererseits ist weiter deutlich, dass viele diesen Weg nicht mitgehen und sich den Angriffen aktiv entgegenstellen – in der Solidarität des Alltags, in politischen Koalitionen, auf der Straße. Wir tun dies in den lokalen Initiativen wie „Together we are Bremen“, in den langfristigen Vernetzungen wie „Women in Exile“ oder manchmal in plötzlich entstehenden Aufständen, wie im Lager in Ellwangen 2018. Dabei geht es nicht nur um Abwehr – es geht darum, die Zukunft nicht aufzugeben. Wer riskiert schon auf dem Flughafen oder im Mittelmeer ein paar Jahre Knast, ohne eine andere Welt für möglich zu halten? Und wer macht sich trotz aller Abschottung weiterhin auf nach Europa, ohne daran zu glauben, dass alles nicht so bleiben wird, wie es ist?
Wir sind also mittendrin in einem Kampf um die Zukunft – um die Frage, in welcher Gesellschaft wir leben werden. Der Aufstand der Solidarität gegen den Rassismus von AfD, Nazis, Behörden und Europas Regierungen bleibt dabei unser Weg und unser Ziel. Dazu müssen wir damit weitermachen, womit wir begonnen haben: Neue soziale Koalitionen der Solidarität bauen. Und wir tun dies, indem wir das großartige Bild unserer Parade in Hamburg als ein Versprechen und einen Arbeitsauftrag an uns alle verstehen. Indem wir den symbolischen Akt einer bundesweiten Parade Wirklichkeit und Alltag werden lassen, in Städten und Kommunen. Und indem wir uns neu öffnen und dem stellen, was jetzt auf uns zukommt.
Unser Schwerpunkt in diesem Jahr wird in Sachsen sein. Wir werden in den nächsten Monaten in der Hochburg des Rassismus Präsenz zeigen, wir werden zeigen, dass wir unermüdlich kämpfen und dass wir nach wie vor mehr sind als wir denken. Eine Woche vor der Landtagswahl, am 24.8.2019 werden wir mit einem Block auf der bundesweiten #unteilbar-Großdemonstration in Dresden dabei sein – gemeinsam mit vielen anderen, mit alten und neuen Freund*innen! Aber bereits davor und auch danach werden wir in die Städte, in die Camps und Communities in Sachsen und überall ausschwärmen: Mut machen, Widerstandserfahrungen austauschen, Strukturen aufbauen. Und die Alltagskämpfe verdichten. Für eine Gesellschaft ohne Rassismus und Ausgrenzung. Für eine Gesellschaft, in der wir leben wollen!
Bald mehr von uns. Die Anreise für den 24.08. nach Dresden kann aber schon mal geplant werden.